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Die Halle 3 des EAW Lingen

Rechteckig, praktisch - gut genug

Wie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Prioritäten gesetzt wurden, lässt sich an der Architektur der Nachkriegsbauten in ganz Deutschland und eben auch im AW Lingen deutlich ablesen. Praktisch und so preisgünstig wie nur eben möglich sollten die Gebäude sein, denn es gab Unmengen beschädigten Rollmaterials zu reparieren.

Am 21.02.1944 fand ein schwerer Luftangriff auf das Ausbesserungswerk Lingen statt, bei dem drei Werkangehörige den Tod fanden und weite Teile des Werkes schwer beschädigt oder auch völlig zerstört wurden. So hatte es zwei Gebäude voll erwischt: Die Kupferschmiede und die Steuerungswerkstatt. Zwei Gebäude, die teilweise aus der Gründungszeit des Werkes stammten.
Die Steuerungswerkstatt war ein massiver Ziegelbau mit Segmentbogenfenstern, sparsamen Zierfriesen und Shed-Dächern.

Mit dem Wiederaufbau der Fertigungsstätten auf dem Werkgelände nutzte man die Gelegenheit, die in den Zerstörungen lag, um die Anordnung der Bauten zur Verbesserung der Arbeitsabläufe zu verbessern. Man legte jetzt keinen Wert mehr auf Gestaltung und ähnliche Belange der Ästhetik. Es mussten schnell Gebäude her. Billig, wirtschaftlich angeordnet und funktional.

Spuren einer schweren Zeit

So entstand in den frühen Nachkriegsjahren die 70m lange Halle 3 am Standort der eingangs erwähnten beiden Hallen, deren Trümmer noch vor dem Kriegsende beseitigt wurden.
Schlichter konnte eine Halle kaum noch sein. Sieht man sie neben der Halle 4 oder auch neben der Halle 1/2 wird deutlich: Diese Bauform fällt völlig aus dem Rahmen. Sie zeigt nichts mehr vom Darstellungswunsch der Gründerzeit, der alles mit Ornamenten, Sandsteinen, Friesen, Putzflächen und ähnlichem Zierrat überformte, nichts vom industriellen optimistischen Fortschrittsglauben, der seinen Bauten den Stempel von Macht, Geld aufprägte - jetzt ging es um das schnelle 'Dach über dem Kopf' und zwar ausschließlich.

Die Halle besitzt eine 25m breite, symmetrische Giebelwand, in der sich zur Entstehungszeit acht längliche Fenster befanden. Die Längsseiten wurden von 17 großflächigen , in der oberen Hälfte angesetzten Fenstern durchbrochen. Keine Pfeiler, keine Lisenen, keine Simse versuchen den Bau anders wirken zu lassen als er nun mal ist, nämlich linear - und ziemlich langweilig.
Ein eingeschossiger, endlos wirkender Büroanbau mit Pultdach lehnte sich an die östliche Länsseite. Fenster reiht sich an Fenster - so stellte man sich zu jener Zeit Büroräume vor: klein, ziemlich dunkel aber eben zweckmäßig und billig.

Das mit 5° sehr flach geneigte freitragende Satteldach der ca. 2000m² großen Halle ruht auf Stahlfachwerkträgern. Zusätzliches Licht fiel durch längliche Flächenfenster auf der westlichen Seite des Daches. Eine Laufkrananlage durchlief die östliche Hälfte des Gebäudes in dem seinerzeit die Steuerungswerkstatt und die Kupferschmiede ihr neues Domizil fanden. Bauliche Veränderungen brachten die 1970er Jahre mit sich: drei große Tore wurden in die südliche Giebelwand eingebaut, Gleise im Hallenboden verlegt und über die südliche Schiebebühne an die südliche Gleisharfe angeschlossen.

Wirtschaftswunderbar

Natürlich waren die Bauten, die nach dem Krieg im Werk entstanden, architektonisch sicherlich nicht gut, doch ein Zeugnis dieser Zeit und haben so gesehen auch einen dokumentarischen Wert Und so hat am Ende doch alles (wirtschafts-)wunderbar funktioniert!

Im Sommer 2004 kam Bewegung in das Umfeld der Halle 3. Um die angrenzende Schmiede besser einrüsten zu können, wurde zunächst ein Teil der angebauten Büroräume abgerissen.
Erbaut:
1946
Bauform:
Einschiffiges Hallengebäude mit Anbauten, Nachkriegszeit
Bauweise:
Ziegel-Massivbau, Dachtragwerk Stahl, Holzdach
Grundfläche:
ca. 2.000m²
Max. Abmessungen:
ca. 27 x 70m
Historische Nutzung:
Steuerungswerkstatt, Kupferschmiede, Lager
Sanierung:
Mai 2004-2007
Heutige Nutzung:
Fachhochschule 'Campus Lingen'